Universität Bonn

Sammlungen ULB Bonn DE

Handschriftenfragmente

Die beim Neueinband alter Handschriften oder Drucke häufig anfallende Handschriftenmakulatur wurde in der ULB Bonn bis ins 20. Jahrhundert hinein je nach Einschätzung ihrer Bedeutung in den Bestand eingereiht (so z. B. die 1821 von Hoffmann von Fallersleben in einer Thomas-Handschrift entdeckten Bonner Blätter des Codex discissus  von Otfrieds Evangelienharmonie, im Katalog von Klette und Staender Nr. 499) oder unverzeichnet gesammelt, aber zumTeil sehr wahrscheinlich auch endgültig makuliert.

Immerhin befinden sich unter den losen Fragmenten einige, die eindeutig im 19. Jahrhundert aus ihrem Trägerband herausgelöst worden sind.

Die bis dato unverzeichnet gesammelten lose Fragmente wurden 1993/94 zu einer eigenen Signaturengruppe zusammengeführt und mit Landesmitteln auf Formblättern erfasst.

Zum Zeitpunkt der Katalogisierung waren 866 Handschriftenfragmente im Bestand der Abteilung Handschriften und Rara bekannt. 

Davon wurden im Sinne des Projekts abschließend katalogisiert alle aus ihren Trägerbänden (Handschriften, Inkunabeln, Rara und Bestände des Allgemeinmagazins) herausgelösten 375 Fragmente und die 21 Fragmente eines Nachlasses (ebenfalls in der Fragmentesammlung untergebracht); sie erwiesen sich als Reste von 159 Handschriften.

Provisorisch katalogisiert wurden alle 150 in Handschriften verbliebenen Fragmente, die zu ursprünglich 80 Handschriften gehören.

Die in Inkunabelbänden befindlichen 293 Fragmente konnten dagegen nur listenmäßig nach Trägerbänden erfasst werden. Hier dürfte es sich um Reste von 120-160 Handschriften handeln.

Die 866 einzelnen Handschriftenfragmente in der ULB Bonn stehen demnach für ca. 360 - 400 verlorene Handschriften, von denen jedoch durch die Katalogisate eine gewisse Vorstellung gewonnen werden kann.

Katalog: Interner Katalog auf Formblättern, bearbeitet von Regina Pütz 1993/1994.

Handschriftenfragment
ULB Bonn, Sf 37 B © ULB Bonn

Die Verteilung der aus 396 Einzelfragmenten gewonnenen Handschriftenfragmente auf Sprachen und Jahrhunderte veranschaulicht die Tabelle:

Sprache 9. Jh. 10./11. Jh. 12./13. Jh. 14./15. Jh. 16. Jh. 17.-19. Jh. undatierbar

Summe

lateinisch  1 29  51  19 

118 

deutsch        10 12  11   

33 

italienisch          

französisch        1      

spanisch          1    

Federproben/
unbestimm-
bar
             4

Summe 29  62  33  20 

159 

 
Insgesamt 11 Fragmente sind genau datiert, zwischen 1386 und 1795. Dabei handelt es sich meistens um Urkunden, Verträge u.ä. Die Urkunde von 1386 stellt das älteste der vorhandenen deutschen Fragmente dar. Aus dem Bonner Kloster Engeltal stammt eine lateinische Urkunde von 1448.

Der Versuch, die lateinischen Handschriften landschaftlich einzuordnen, ergibt folgendes Bild:

Land Anzahl Handschriften
Italien 25 Handschriften, davon 8 fraglich
Rheinland 5 Handschriften, davon je 1 aus Bonn und Koblenz
Süddeutschland 2 Handschriften (Elsaß, Bodenseeraum
Norddeutschland 1 Handschrift (Osnabrück)
Spanien 1 Handschrift


Die deutschen bzw. lateinisch-deutschen Fragmente stammen - soweit sie überhaupt lokalisiert werden können - aus der Pfalz (4 Nrn), Speyer (1), Rheinfranken (1), Süddeutschland (2), Brabant (1).

Eine Gruppierung der lateinischen Fragmente nach Inhalt und Epochenzugehörigkeit ergibt folgendes Bild:

vor 1500 nach 1500
bestimmbare Fragmente  78 26 
davon theologisch  48 = 61,5% 8 = 30,8% 
juristisch 13 = 16,7%  3 = 11,5% 
übrige Geisteswissenschaften 8 = 10%  10 = 38,5% 
Naturwissenschaften, Medizin,
Technik
7 = 9% 

Hervorgehoben seien eine in 2 Doppelblättern erhaltene Reisebeschreibung des Heiligen Landes, die im 14. Jahrhundert wohl in Italien aufgeschrieben wurde (Sf 543), weiterhin unter den generell seltenen, naturwissenschaftlich-medizinisch-technischen Texten ein wohl in Italien geschriebener mathematischer Text des 15. Jahrhunderts, der in angewandten Beispielen möglicherweise Euklid erläutert (Sf 523), und ein Text des 14. Jahrhunderts zur Frauenheilkunde (Sf 558).

Ein interessanter Fund scheint unter den lateinischen Fragmenten des 16. Jahrhunderts erhalten zu sein: mehrere Blätter mit Epigrammen italienischer Autoren (Amadeo Bellucci, Capo (?), Carnesecchi (?), Laurenzi, Manetassi, Pamploni, Scaletti), die im fünfbändigen Dizionario enciclopedico della letteratura italiana (1966 - 1970) nicht aufgeführt sind; es könnte sich vielleicht um Personen aus einem Kreis von Humanisten oder aus dem Umkreis der Bildenden Kunst handeln, wo für jene Zeit einige dieser Namen belegt sind (Sf 593 - 600).

Unter den lateinisch-deutschen Texten ist ein Wörterbuch wohl aus dem Rheinfränkischen aus dem 15. Jahrhundert (Sf 5502) zu nennen. 

 

Die provisorischen Katalogisate der in Handschriften verbliebenen Fragmente erlauben einen groben Überblick über den Bestand:

Pergament Papier Summe
9./10. Jh. 11.-13. Jh. 14./15. Jh. nach 1500 vor 1500 nach 1500
lateinisch 2 25 29 3 - 1 60
deutsch - - 1 2 - 1 4
französisch - - 1 - - - 1
hebräisch 2
unbestimmbar 13
Summe 2 25 31 5 - 2 80

Die Auflistung der im Inkunabelbestand vorhandenen Handschriftenfragmente erlaubt über die Schätzung der Anzahl der durch die Fragmente repräsentierten Handschriften hinaus keine näheren Aussagen.

Jedoch wurde bei der Erfassung deutlich, dass auch hier interessante Fragmente vorhanden sind, so ein Antiphonalblatt des 10./11. Jahrhunderts und ein Sakramentarblatt des 11./12. Jahrhunderts.

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